Brot

Predigt am Gründonnerstag 2021 (Lesejahr B) in St. Magdalena Linz.

Gott lädt alle Menschen zu seinem Mahl ein. 

Ohne Ansehen der Person. Ohne Vorbedingung. 

Jeder und jede ist eingeladen, das Brot und den Wein zu empfangen, der für uns Christinnen und Christen Leib und Blut Jesu ist. 

Diese Nachricht ist so altbekannt und gewohnt, dass wir erst auf den zweiten Blick erkennen, wie radikal diese Botschaft ist – gerade angesichts der Geschichte der christlichen Praxis.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das, was alle christlichen Konfessionen gemeinsam haben, das gemeinsame Mahlhalten, das ist, was uns trennt. Kriege wurden darum geführt. Gekämpft und gestritten wurde über die Frage, wer die Kommunion nehmen darf und wer ihr in der Liturgie dienen darf. 

Eucharistie ist kein Sakrament der Grenzziehung. 

In der Nacht, in der Jesus verraten wurde, sprach er nicht von Grenzen und von Ausgrenzung derjenigen, die anders denken und handeln.

Im Gegenteil. Jesus sprach von Liebe und er ging den Weg der Liebe.

Die christliche Frohbotschaft ist radikal. Gott ist Mensch geworden. Jesus bietet sein eigen Fleisch und Blut an – wissend welche Schurken und Verbrecher mit ihm am Tisch sitzen. 

Wenn wir uns selbst beglückwünschen, dass wir alle einladen, sollten wir bedenken mit wem wir uns da an den Tisch setzen. 

Zu den 12 Jüngern, die mit Jesus am Tisch saßen, gehörten Judas der Verräter und Petrus, der Leugner. Und auch die anderen: Nicht einmal wach bleiben konnten sie! 

Der Grund, warum Judas und Petrus uns so erschrecken, ist, dass es in uns allen Anteile der Christus-Verräterin, des Christus-Verräters und der Christus-Leugnerin, des Christus-Leugners gibt. 

Es ist genau dieser Teil von uns, den Jesus mit seinem eigenen gebrochenen Körper gesund machen will.

Sie kennen sicher das Bild des letzten Abendmahles von Leonardo da Vinci. Es gibt unzählige ähnliche Darstellungen, wo Menschen mit Jesus am Tisch sitzen, die wir nicht an den Tisch eingeladen haben. 

Verbrecher und Mörder, Verräter und Leugner, Obdachlose und psychisch Kranke, Hässliche und ganz anders Aussehende – gebrochene Menschen, die ganz leise darauf hoffen, von Jesus aufgerichtet zu werden. 

Es ist schwer zu akzeptieren, dass auch unsere Feinde die gleiche Vergebung, Gnade und Erlösung erhalten wie wir. 

Noch schwieriger ist es zu akzeptieren, dass Gott nicht nur alle begrüßt, sondern dass Gott alles in mir, alles in uns selbst, willkommen heißt. 

Gott lädt sogar das in uns zum Mahl ein, was wir verstecken wollen, was ich verstecken will: 

Der Teil, der diese Woche die Kinder beschimpfte oder der alleine zu viel Alkohol trank.

Der Teil, der ein Problem mit Lügen hat und der nicht zur Versöhnung bereit ist.

Der Teil, der den eigenen Körper hasst und doch wieder eine ganze Tafel Schokolade auf einmal gegessen hat.

Der Teil, der an Depressionen leidet und der es nicht zugeben kann.

Der Teil, der voller Scham über unsere sexuellen Phantasien ist oder nicht den Mut hat, ganz andere Geschlechterrollen zu leben. 

Der Teil, dem die Auswirkungen von Corona für direkt Betroffene, die Zahlen auf den Intensivstationen, egal sind, der Teil, der sich nur endlich wieder mehr Freiheit und keine Masken mehr wünscht. 

Der Teil, der sich dauernd Sorgen ums Geld macht oder sich über die Schummeleien bei der Steuer schämt.

All das sind Teile von uns, von mir. Es sind Teile von uns, von denen wir uns wünschen, dass Jesus sie ablehnt. 

Und doch sind sie eingeladen, den Herrn zu probieren und zu sehen. Jeder Teil von uns ist an Jesu Tisch willkommen. Wir in unserer Ganzheit sind eingeladen. Die Gaben Gottes sind frei und für alle.

Diese Botschaft ist wirklich radikal und nicht so einfach zu akzeptieren. 

Ich darf mir gewiss sein, dass es egal ist, wer ich bin, was in mir ist. 

In aller Widersprüchlichkeit und Verwirrtheit. Die Grenze zwischen Gut und Böse ist fließend, wir Menschen sind immer beides. Wir sind heilig und doch keine Heiligen. 

Es zählt nur, dass Gott mich, uns einlädt an seinen Tisch und keine Vorbedingungen stellt. 

Es gibt dafür ein wunderschönes theologisches Wort: Gnade.