Schaf

Aber darf ich mich einkuscheln? Von der Freiheit und Geborgenheit bei Gott. 
Predigt am Sonntag 25. April 2021 in St. Magdalena (4. Sonntag in der Osterzeit Lesejahr B).

Liebe Pfarrgemeinde,

Sorry, tut mir leid, ich will doch kein Schaf sein. 

Das war mein erster Gedanke beim Lesen des heutigen Evangeliums. 

Und schon wieder ein Bild aus der Landwirtschaft. Klar, dass ist der Entstehungskontext der Bibel: damals lebten die Menschen eng mit der Landwirtschaft verwoben. 

Nach 30 Jahren in der Stadt ist mir aber davon manches fremd und fern. 

Schafe sind süß und knuddelig, aber verglichen werden will ich doch nicht mit ihnen. 

Und doch komme ich als Christin, als Christ, nicht herum um dieses Bild des guten Hirten mit seinen Schafen. Es ist eines der kulturprägenden Bilder, die wir Menschen uns von Gott machen. 

Jesus als der gute Hirt. 

Jesus als derjenige, der dem verlorenen Schaf nachgeht. 

Jesus, dem niemand egal ist. 

Jesus, bei dem niemand überflüssig ist.

Jesus als Hirte, der sein Leben geringer achtet als das seiner Schafe. 

Jesus nennt sich selber guter Hirt. Dieses Wort strahlt Vertrauen aus. 

Es bedeutet Sicherheit und Schutz, Geborgenheit und Fürsorge. Jesus ist vertraut mit den Schafen, er kennt sie. Und auch die Schafe, die nicht aus seinem Stall sind, will er 

kennenlernen. 

Aber noch immer, sorry, tut mir leid: Ich will doch kein Schaf sein. 

Das ist mir zu viel an Gleichförmigkeit und Vereinnahmung. 

Da fange ich an zu rebellieren.

Ja, vielleicht werde ich sogar zum 

berühmten „schwarzen Schaf“. 

Vielleicht laufe ich auch weg. 

Vielleicht werde ich ein störrischer Esel.

Vielleicht gründe ich meine eigene Schafherde. 

Einfach Teil einer blökenden Schafherde zu sein, passt so gar nicht zum neuzeitlichen, aufgeklärten 

Individuum. 

Und noch viel mehr: Was den Mensch zum Menschen macht, ist die Freiheit. Der Mensch ist frei und bestimmt selbst über sein Denken und Handeln. 

Bei allem Selbstbewusstsein und aller Selbstbestimmung verlaufe ich mich doch öfter. Ich verletze andere. Rede mich auch noch raus. Ich ähnle dann doch ganz schön dem Schaf, das sich verläuft. Oder ein paar Tritte zuviel austeilt. Ich brauche eine helfende Hand, eine leitende Stimme, eine gute Idee von außen, eine tragende Mitte.

Und noch ein ganz anderes Gefühl: 

Ich möchte dazu gehören.

Ich möchte Teil einer Gemeinschaft sein. 

Mitten drin in der Herde. 

Geachtet, beachtet und fürsorglich versorgt. 

Ich brauche Vertrautheit und Beziehung. 

Ich möchte mich einknuddeln. 

Ich wünsche mir Sicherheit und Schutz, Geborgenheit und Fürsorge.

Manchmal bin ich ganz klein, das neugeborene Lamm.

Manchmal bin ich groß und trage Sorge für die meinen. 

Manchmal weiß ich es auch gerade nicht. 

All das sind wir Menschen. 

All diese Schafe sind wir Menschen. 

Und Gott ist da für alle diese Schafe. 

Gott ist da für alles in uns.

Dieser Hirte bewertet nicht. 

Dieser Hirte verkauft seine Schafe nicht am Markt an den Meistbietenden. 

Gott ermöglicht mir so die heilsame Erfahrung von Freiheit und Geborgenheit. 

So wie es gerade brauche. 

Nicht jeder Tag auf der Weide des Herrn ist gleich.

Um uns daran zu erinnern, dass alles gut und erwünscht ist bei Gott, möchte ich Ihnen nun Bilder von Schafen verteilen, ein Meme aus dem Internet. 

Wie spüren Sie gerade ihre Beziehung zu Gott? 

Ich lade Sie ein, sich auf der Schafe-Skala einzuordnen – im Bewusstsein, dass es morgen schon wieder ein anderes Schaf sein könnte. 

Amen