paradies

Predigt zum 10. Sonntag im Jahreskreis B (6.6.2021), gehalten in der Pfarre St. Magdalena Linz. Die Bibelstellen sind Gen 3,9-15 und Mk 3,20-35. 

Heute geht’s um Versteckenspielen. 

Kleine Kinder verstecken sich manchmal hinter dem Vorhang. Sie glauben, dass wenn sie selbst niemand sehen, auch nicht gesehen werden können. Selbst wenn die Zehen unter dem Vorhang hervor schauen. Im Laufe der Zeit lernen Kinder dann, dass das so nicht funktioniert und man* dann doch gefunden wird von den Mitspieler*innen. 

Tja, so einfach ist das nicht in dieser Welt. 

In der heutigen Lesung haben wir den Bericht vom Sündenfall gehört. 

Diese Geschichte von Adam und Eva und ihre Vertreibung aus dem Paradies ist ein mythischer Antwortversuch auf die Frage an, warum diese Welt so zerbrochen ist, warum es das Böse in der Welt gibt. 

Nun haben Adam und Eva im Paradies also vom Baum der Erkenntnis gegessen und erkannten, dass sie nackt waren. 

Adam schämt sich, er versteckt sich. Die Handelnden schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Niemand will Verantwortung übernehmen. Alle sind isoliert und alleine. Keine Beziehung. Keine Solidarität. 

Wir kennen diese Realität: 

Wir alle verstecken Anteile von uns, die wir nicht mögen. Manchmal würde man* gerne einfach unter der Bettdecke verschwinden wie ein kleines Kind hinterm Vorhang. 

Doch das klappt nicht. 

Jeder und jede hat sein eigenes Tribunal im Kopf. 

Am lieben würden wir manche Anteile auch vor Gott verstecken. 

Doch nur wer erkannt wird, wer gesehen wird, kann geliebt werden. 

Gott kennt uns, Gott sieht uns. Bei Gott klappt es erst recht nicht mit dem Vesteckenspielen.Gott liebt uns, so wie wir sind. Genau diese Liebe ist heilsam. 

Das hörten wir im heutigen Evangelium. 

Da treibt Jesus die Dämonen aus. 

Dämonen, Satan, Besessenheit – Allzu archaisches Bild heute 2000 Jahre danach. 

Gemeint ist:

Jesus heilt Menschen, er repariert Seelen.

Jesus verändert Systeme, die Menschen kaputt machen. 

Der Wanderprediger Jesus lässt Lahme gehen, er vergibt Sündern, er bricht den Sabbat zu Gunsten eines Menschen.

Es ist nie ein großes Ritual mit allerlei Brimborium. 

Es ist nie die volle Action, die wir aus Film und Fernsehen kennen. 

Und schon gar nicht ist es Gewalt, die Menschen und Situationen heil macht. 

Vielmehr: Jesus hört zu, er ist da. 

Es ringt um Respekt voreinander, um die Würde jedes Menschen.

Letztlich geht um Liebe. 

Um Bedingungslose Liebe. 

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Du bist nicht Deine Gebrochenheit. 

Du bist nicht Deine Einsamkeit. 

Du bist nicht die Summe Deiner Fehler. 

Du wurdest gut und mit Liebe erschaffen. 

Du wurdest mit Absicht erschaffen. 

Diese Augenbrauen. Dieses unverwechselbare Lachen. 

Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur. 

Ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.

Und bevor du etwas Wertvolles getan hast, wurdest du geliebt. 

Hör dir das noch einmal an:

Bevor du etwas getan hast, das es wert ist, getan zu werden, wurdest du geliebt. 

Und jetzt, mit all deinen guten und schlechten Seiten, bist du immer noch von dieser Liebe bedeckt. 

Diesen Zuspruch brauchen wir. 

Immer wieder. 

Er ist wie ein Schluck Wasser, wenn man* durstig ist.

Und doch ist dieser Wunsch, so gekannt und geliebt zu werden, wie Gott mich kennt und liebt, eine zarte, oft verborgene Sache. 

Das Heil entsteht in der Beziehung mit Menschen, die mich sehen, wie ich mich selbst nicht sehen konnte. 

Das bringt mich Gott näher, das lässt mich wachsen. 

Darum sind wir Kirche, um einander und allen Menschen dieses Heil zuzusagen – in der Spur Jesu. 

Wir brauchen einander, um uns zu sagen, dass unsere Liebenswürdigkeit nicht oder von irgendwelchen Leistungen anhängt oder von unseren Kilos oder von den Likes auf Facebook. 

Jesus wird in der heutigen Evangeliums-Geschichte dafür angefeindet, dass er nicht ins Schema passt. 

Da wird uns von einem gewaltigen Streit in der Familie berichtet. 

Und mit der Obrigkeit hat er sich auch noch angelegt. 

Jesus wird beschuldigt, vom Satan besessen zu sein, im Namen Satans und nicht im Namen Gottes geheilt zu haben. 

Seine Familie versucht, ihn ins Haus zu ziehen und ihn zu verstecken. 

Die Schriftgelehrten erkennen seine Macht an, aber sie sagen, dass Jesu Macht nicht von Gott ist, sondern böse ist. 

Sowohl seine Familie als auch die Behörden versuchen, eine Grenze zu ziehen, da sie sehen, dass Jesus Dinge tut, die gefährlich sein könnten oder Schande verursachen. 

„Das gehört sich nicht“.  

Wer hat das noch nie gehört? 

Was macht Jesus? 

Menschen heilen. Dämonen austreiben. 

Die Regeln brechen, um Barrieren für leidende Menschen abzubauen. 

Als Antwort auf die Schriftgelehrten stellt Jesus ihre Logik in Frage. „Wie kann der Satan den Satan austreiben? Wenn der Satan sich gegen sich selbst erhebt und mit sich im Streit liegt, kann er keinen Bestand haben, sondern es ist um ihn geschehen“. 

Und dann: Jesu Familie kommt wieder und versucht, ihn dazu zu bringen, mit ihm wegzukommen. Und was macht er? 

Die Arbeit, die Jesus tut, bereitet den Menschen Unbehagen. 

Jesus heilt Menschen, er repariert Seelen.

Jesus verändert Systeme, die Menschen kaputt machen. 

Und er fängt gerade erst an. Wir sind erst bei Kapitel 3 des Markus-Evangeliums. 

Vielleicht beginnt Jesus hier, die Zerbrochenheit und das Alleinsein aufzulösen, die wir seit dem Sündenfall im Garten Eden in uns tragen. 

Und als Ergebnis dieser Arbeit versuchen die Behörden, die Schriftgelehrten, und seine Familie, ihn aufzuhalten. 

Jesus schafft ein neues Paradigma – oder um es klar auszudrücken, er zieht eine Grenze. 

Diese Grenze ist anders als die „Das gehört sich nicht“-Grenze.

Jesus zieht eine neue Grenze. Eine harte Grenze, wirklich. 

Er sagt: Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter. 

Der Willen Gottes zu tun ist wichtiger als gesellschaftliche und religiöse Normen.  

Es geht um Heilung, Befreiung, Liebe, Vergebung. 

Das ist wichtiger als die althergebrachte Ordnung. 

Und Jesus fragt: Gehst du mit mir? 

Im Verlauf dieser Woche lade ich Sie ein, nach Ihren Grenzen zu suchen. 

Blicken Sie hinter Ihre sorgfältig orchestrierte Fassade der Ordnung und hören Sie dann noch einmal auf diese Worte: 

Bevor du etwas getan hast, das es wert ist, getan zu werden, wurdest du geliebt. 

Das hat Jesus gesagt. Amen.